Das Rechnungswesen umfasst weit mehr als die reine Buchhaltung. Es dient als ein Management-Informationssystem, das die Zahlen, Daten und Fakten für wesent-liche Unternehmensentscheidungen liefert und zugleich Prozesse des täglichen Geschäfts nahezu vollständig automatisiert. Damit etabliert sich diese Software als ein wesentlicher Treiber für die Digitalisierung im Unternehmen. Im Interview mit dem Midrange Magazin (MM) verdeutlicht Ralf Schlüter, Leiter Produktportfolio-management bei Diamant Software, wie „das Rechnungswesen und das Controlling von morgen“ aussehen werden.

MM: Stichwort Rechnungswesen – welche Rolle spielt die Digitalisierung hier?

Ralf Schlüter: Wir haben eine Studie zum Themenbereich Digitalisierung durchführen lassen – mit dem Resultat, dass für mehr als 90 Prozent der Befragten die Bereiche Rechnungswesen, Controlling und Verwaltung wesentliche Bestandteile der Digitalisierungsstrategie sind. Die meisten Befragten haben also erkannt, dass flexible und skalierbare Prozesse in den Bereichen Rechnungswesen und Controlling ihr Unternehmen fit für die Zukunft machen, weil sie mehr Transparenz über aktuelle Zahlen schaffen und Trends aufdecken.

MM: Wandelt sich damit die Rolle der Buchhaltung?

Ralf Schlüter: Ja, eindeutig. Die klassischen operativen Routinetätigkeiten, wie Kontieren und Buchen, nehmen ab und sind bereits weitgehend automatisiert. Somit wird im Rechnungswesen „die Kontrolle“ mehr und mehr zur Managementaufgabe, die Grenzen zum Controlling verschwinden. Es geht also nicht allein darum, eine Bilanz zu erstellen und vergangenheitsbezogen zu berichten. Vielmehr sind Lösungen gefragt, die Mitarbeiter als Impulsgeber und Berater qualifizieren. Sie sollten immer auskunftsfähig sein, den aktuellen Überblick besitzen, im Idealfall Entwicklungen frühzeitig erkennen – und dabei gleichzeitig Liquidität und Rentabilität des Unternehmens sicherstellen.

Ralf Schlüter, Leiter Produktportfoliomanagement bei Diamant Software: „Der Markt verändert sich zunehmend vom klassischen Lizenzmodell hin zu einem Subscription-Modell.“ Quelle: Diamant Software

MM: Mit der unternehmensweiten Digitalisierung kommt aber noch eine Vielzahl von zusätzlichen Informationen ins Spiel. Was muss „die kaufmännische Lösung von morgen“ dazu alles einbeziehen können?

Ralf Schlüter: Die Software muss trotz höherer Automatisierung und Komplexität beherrschbar bleiben! Bei den Veränderungen durch die Digitalisierung muss sich die Software also an die veränderten Prozesse anpassen lassen und nicht umgekehrt. Die Fachabteilung hält daher den Schlüssel für die Umsetzung der Digitalisierung in der Hand, damit im kaufmännischen Bereich alle Informationen zusammenlaufen – eine Voraussetzung für mehr Transparenz. Eine erfolgreiche Systemvernetzung bildet die Basis, und die Einfachheit der Problemlösung trägt maßgeblich zum Erfolg der Umsetzung bei. Systeme, die sich nicht oder nur schwer vernetzen lassen, werden ausgetauscht.

MM: Hinter dem Begriff Digitalisierung verbirgt sich immer auch das Thema Automatisierung. Was muss eine Lösung mitbringen, um diese Anforderung abdecken zu können?

Ralf Schlüter: Auch hier komme ich wieder auf die durchgängige Systemvernetzung zurück. Denn die Vernetzung ist die Basis für eine umfassende Automatisierung. Damit lassen sich Aufwände reduzieren, wenn Routinearbeiten nicht mehr von Hand ausgeführt werden müssen. Die Verantwortung für Steuerung und Überwachung der Prozesse im Unternehmen muss etabliert werden. Hieraus ergeben sich auch Perspektiven für den klassischen Buchhalter: Die Weiterentwicklung des Fachbereichs Rechnungswesen und Controlling zum Business-Partner für die gesamte Organisation.

MM: Welche weiteren Anforderungen kommen durch die Digitalisierung ins Spiel?

Ralf Schlüter: Die Digitalisierung erhöht die Anforderungen an das Thema Compliance. Digitale Prozesse müssen eindeutig beschrieben und nachvollziehbar sein – Stichwort Revisionssicherheit. Eine moderne Software muss selbstverständlich die Voraussetzungen dafür mitbringen und den Verantwortlichen bei der Compliance – die oft als leidiges Thema empfunden wird – unterstützen.

MM: Wie wichtig ist die Bezugsart der Software für den kaufmännischen Bereich?

Ralf Schlüter: Der Markt verändert sich zunehmend vom klassischen Lizenzmodell hin zu einem Subscription-Modell. Die Software kann dabei auf den eigenen Systemen laufen oder über die Cloud bezogen werden. Dabei spielen die Anforderungen an die Compliance eine größere Bedeutung als die Frage „Cloud oder Eigenbetrieb?“. Bei Letzterem, also dem Eigenbetrieb, sind die Anforderungen an IT-Sicherheit und damit die Kosten zuletzt gestiegen. Hier kann eine SaaS-Lösung oft deutliche Vorteile verzeichnen.

 

(Stets) im Einklang mit den Vorschriften

Compliance hält die Unternehmen auf Trab, das gilt insbesondere für die Vorschriften und Richtlinien des Gesetzgebers. Weil Normen sich ändern, unterliegen auch die Anwender von ERP-Lösungen dieser Dynamik. Ein aktuelles Beispiel bieten maschinenlesbare Rechnungen zwischen Unternehmen und Behörden.

Schon im letzten Jahr war die Übergangsfrist zur Überführung der EU-Richtlinie 2014/55/EU in nationales Recht ausgelaufen. Hintergrund ist die in den EU-Mitgliedstaaten angestrebte Harmonisierung der elektronischen und damit medienbruchfreien Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen.

Die Vorschrift soll den Weg bereiten für das Erstellen, Übertragen und die Verarbeitung maschinenlesbarer Fakturen zwischen Unternehmen und Behörden. Gefordert ist jeweils das sogenannte X-Rechnungs-Format, das alle notwendigen Informationen als strukturierte Daten in einem definierten XML-Datensatz enthält; grundsätzlich sind Abweichungen erlaubt, soweit der Datenaustauschstandard der EU-Richtlinie entspricht.

Marco Mancuso

In Deutschland ist die entsprechende „Verordnung über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen des Bundes“ (E-Rech-VO) dann zum 27. November 2018 in Kraft getreten. Die sich daraus ergebenden Verpflichtungen wirken schrittweise. So müssen heute schon die obersten Bundesbehörden die E-Rechnungen akzeptieren, zum 27. November 2019 erstreckt sich die Verpflichtung auf alle anderen Behörden des Bundes, es folgen die Landes- und Kommunalbehörden ab April 2020.

Die Fristsetzung für die Unternehmen fällt etwas komfortabler aus. Verbindlich müssen sie erst ab November 2020 ihre Rechnungen an öffentliche Auftraggeber elektronisch übermitteln.

Zudem gibt es Ausnahmen wie etwa Bagatellgrenzen. Wer Geschäfte mit der öffentlichen Verwaltung macht oder dies vorhat, sollte frühzeitig dafür Sorge tragen, dass sein ERP-System auf den vorgeschriebenen Datenstandard zum Rechnungsaustausch vorbereitet ist. Anwender von sou.matrixx können dem Ablauf der Fristen entspannt entgegensehen.

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