Automatisierte Abläufe, gepaart mit großer Flexibilität – oder hoher Zeitaufwand, verbunden mit Fehleranfälligkeit: Unternehmen, wie zum Beispiel Versicherungen, stehen im Zeitalter der Digitalisierung vor der Aufgabe, neue Wege zu gehen und bestehende Prozesse zu hinterfragen, anstatt weiterhin auf Etabliertes zu setzen. In vielen Betrieben bleibt diese Entwicklung allerdings noch unbeachtet. Erst rund 40 Prozent der mittelständischen Unternehmen nutzen die Möglichkeiten des digitalen Wandels – knapp 60 Prozent lassen demnach große Chancen liegen.

Verwaltung und Buchung von Vertriebsprovisionen durch manuelle Erfassung in Excel-Tabellen zählen zum Beispiel im Alltag vieler Versicherungen noch zum Standard. Erst nach umfassender Prüfung und langwierigen Dokumentationsvorgängen kommt es zu einer Auszahlung an die Vertriebler. Insbesondere aufgrund der teilweise langfristigen Prozesse gilt es in diesem Zusammenhang, den Überblick zu bewahren und – etwa bei den Berechnungen – transparent zu agieren.

Durch Erfolge und Stornos, die sich im Laufe der Zeit immer wieder gegenseitig aufheben, besteht die Gefahr sich einschleichender Fehler. Im Fall der von Verkaufs- oder Vertragsabschlüssen ausgelösten Provisionen kommt es infolge der angebrachten Sorgfalt zu hohen administrativen Aufwänden.

Vermeidbare Schwierigkeiten

Manuelle Auflistungen stellen nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch die Vertriebler vor neue Herausforderungen. Es lässt sich nicht ohne Weiteres erkennen, welche Positionen gelisteter Auszahlungen noch offen sind – was wiederum zu vielen Rückfragen und so zu mehr Aufwand führt. Denn: Jede dieser Erkundigungen durchläuft eine individuelle und ausführliche Überprüfung, damit eine verlässliche Auskunft gegeben werden kann. Für Unternehmen verursachen diese Vorgänge durch die zusätzliche Inanspruchnahme von Arbeitskapazitäten nicht unerhebliche Kosten.

Digitale Lösungen bieten im Zusammenhang mit solchen Schwierigkeiten beispielsweise die Möglichkeit zur Echtzeitprovisionierung. Diese setzt zum einen neue vertriebliche Anreize und sorgt zum anderen für Effizienzsteigerung und mehr Transparenz. Viele Versicherungen haben sich auch deswegen vorgenommen, eigene Prozesse zu vereinfachen. Zuvor erwähnte Live-Berechnungen ermitteln mögliche Provisionen bereits während der Angebotsunterbreitung – im verknüpften Buchungssystem stößt die installierte Softwarelösung die Zahlung der anfallenden Courtage aber nur bei finalem Vertragsabschluss an.

Digitale Abrechnungen machen es zudem möglich, die Auszahlung zu einem beliebigen Termin durchzuführen oder die Provision auf verschiedene Mitarbeiter bzw. Hierarchien aufzuteilen. Dabei lassen sich Abrechnungs-, Buchungs- und Versandintervalle individuell für jeden Vertriebler bzw. jede Ebene definieren.

In der DNA enthalten

Digitale Provisionierungsmodelle lassen sich mit Hilfe eines zugrundeliegenden Systems realisieren, das alle notwendigen Informationen und Voraussetzungen in einem Produktmodellserver beinhaltet. Dieser Server stellt beliebig viele Verwaltungsebenen bereit, damit eventbasiert Bedingungen durch bestimmte Ereignisse ausgelöst werden können – er lässt sich dabei mit einer Produkt-DNA vergleichen. Innerhalb dieser zuvor aufgestellten Provisionsregeln legen Versicherungen dann entsprechende Vertragstypen, Zahler und Empfänger sowie weitere Normen zur Berechnung der Ansprüche fest.

Über integrierte Schnittstellen zu weiteren Systemen findet zudem ein ständiger Austausch statt, wodurch zum Beispiel bereits dokumentierte Ansprüche mit dem Inkrafttreten der Regeln realisiert werden können. Die Zuordnung kommt dann je nach Gültigkeits- bzw. Staffelzeitraum zustande. Ebenso bekommen die Vertriebler indirekten Zugriff: Sie erhalten Einblicke in die Kommunikations- und Reporting-Systeme. Plausibel gestaltete Benutzeroberflächen sollten daher gewährleistet sein, um ein nachvollziehbares Provisionsmanagement zu integrieren.

Matthias Stauch ist Vorstandsvorsitzender und Mitbegründer der INTERVISTA AG, ein Spezialist für die Digitalisierung des Vertriebs. Das Unternehmen implementiert Smart Contracts und Sales-Plattformen, um Dienstleistungen zu automatisieren. Quelle: intervista ag

Potenzial für Sales-Boost

Anspruchsvermittlung für einzelne Vertriebler innerhalb von hierarchischen Strukturen zu realisieren schafft Mehrwert. Für die Umsetzung gilt es, Provisionsvorgänge flexibel an unterschiedliche Voraussetzungen und Bedürfnisse anpassen zu können. Mit Hilfe der getrennten Ermittlung, Buchung und Auszahlung besteht für Sales-Mitarbeiter bereits frühzeitig die Möglichkeit, zu erwartende Gewinnbeteiligungen zu visualisieren.

Die Vorteile: Vertriebler etablieren eine selbstbestimmte Vertriebsorganisation und sehen individuelle Ansprüche in Echtzeit ein. Das gilt auch für Anträge, für die eine Bestätigung noch aussteht. In einer separaten Vorschau lassen sich diese hinzufügen, womit sie die Aufstellung aller potenziellen Courtagen komplettieren.

Als Folge ergibt sich neben einer Effizienzsteigerung und einem Überblick über die Provisionsansprüche zu jedem Zeitpunkt für das Unternehmen eine anhaltende Motivation unter den Mitarbeitern. Diese wissen, unabhängig von ihrer Rolle im Unternehmen, jederzeit genau, was sie bereits verdient haben – auch wenn die Auszahlungen noch nicht erfolgt sind.

Ebenenübergreifend agieren

Unterschiedliche Klassifizierungen der Provisionsempfänger setzt das Management im System mit Hilfe sogenannter Hierarchiebäume um. Zwei Beträge gilt es für einzelne Vertriebler innerhalb der Hierarchie zu unterscheiden. Auf der einen Seite beinhaltet die verteilbare Provision die Summe aller Anteile, die auf einen bestimmten Vermittler, den „Knoten“, und auf die darunterliegenden Sales-Mitarbeiter entfallen.

Dabei muss eine Zahlung nicht zwingend an den Vertriebler gehen, für den der Anspruch ermittelt wurde. Innerhalb der Hierarchie, des „Baums“, kann eine Auszahlung auch an den übergeordneten Vermittler erfolgen. Auf der anderen Seite steht ein Teilbetrag – die anteilige Provision –, der nach Verteilung der Provisionen dem „Knoten“ zugeordnet wird. So können mit Hilfe digitaler Lösungen auch andere Personen, wie etwa ein Trainer, von den Umsätzen profitieren.

Freigabezustände, die den provisionsrelevanten Ereignissen zugeordnet sind, sorgen außerdem dafür, dass nur explizit freigegebene Ansprüche zu einer Buchung führen. Der administrative Aufwand für die Mitarbeiter schrumpft so auf ein Minimum, während potenzielle Fehlerquellen ausgeräumt werden.